Paul McCartney – Die Biografie by Peter Ames Carlin

Paul McCartney – Die Biografie by Peter Ames Carlin

Autor:Peter Ames Carlin [Carlin, Peter Ames]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Hannibal
veröffentlicht: 2017-03-22T23:00:00+00:00


Kapitel 14

Den Anfang machte „The Lovely Linda“. Das war eines der Songbruchstücke, die ihm in Schottland eingefallen waren. Keine große Sache, nur eine kleine Textzeile über seine Frau und die schönen Blumen in ihrem Haar. Ein paar Akkorde auf der Akustikgitarre, die schlichteste Basslinie aller Zeiten, als Perkussion trommelte er mit der Hand auf den Gitarrenkoffer, und der Gesang löste sich in verlegenem Kichern auf. Das war der erste Track.

Danach wurde es einfacher. Als ob man wieder ein paar Muskeln bewegte, die früher einmal gut trainiert gewesen waren. Ein bluesiger Riff fiel ihm ein, er spielte ihn ein paar Mal durch und wartete, ob sich ein paar versprengte Wörter dazugesellen wollten. That would be something, it really would be something … Per Overdub kamen noch ein paar Gitarren dazu, und dann stand mit „That Would Be Something“ der nächste Titel. Er probierte die Studer-Vierspurmaschine aus, die er in das Musikzimmer hatte einbauen lassen, und auch für ihn selbst war es ein Test. Ein rudimentäres Instrumentalstück hier („Valentine’s Day“), da eine Melodie, an die er sich aus alten Zeiten noch erinnerte („Hot As Sun“), dann ein paar ausgemusterte Beatles-Songs („Junk“ und „Teddy Boy“). Eine auf mehreren Spuren aufgenommene Version des alten Partytricks, die Ränder verschieden hoch gefüllter Weingläser zu reiben („Glasses“) wurde schließlich Produkt seiner Avantgarde-Bastlerwerkstatt. Es waren ganz simple Sachen, die auf die Schnelle von einer Einmannband im Heimverfahren aufgenommen worden waren.

Aber als er sich dann ans Klavier setzte, entstand „Maybe I’m Amazed“, eine leidenschaftliche, wunderbar umgesetzte Hymne an die Frau, die ihm gerade aus seinem finstersten Loch geholfen hatte. You help me sing my song / You right me when I’m wrong … Paul buchte sich Zeit in den EMI-Studios, um diese Nummer aufzunehmen, schlich sich so leise wie möglich hinein und spielte alle Instrumente selbst. Ein weiterer ordentlich komponierter Song, „Every Night“, entwickelte sich im Studio. John Kurlander, der bei vielen Beatles-Sessions der Vorjahre an den Reglern gesessen hatte, war auch bei diesen Aufnahmen mit an Bord. Linda war dabei, natürlich, ebenso wie die Kinder, die ihren Traubensaft tranken und ihren Spielzeugen durchs Studio hinterherrannten. Wenn die Abwesenheit der anderen Beatles an ihm nagte, dann hob Paul den Kopf und sah seine Familie, die ihm wieder Sicherheit vermittelte. „Paul war entspannt, gut gelaunt, trug einen Bart“255, erinnert sich Kurlander. Linda sang nicht und trug anderweitig nichts zur Musik bei, aber sie hatte eine feste Meinung zu dem, was sie hörte, und es war deutlich zu sehen, dass Paul auf diese Meinung eine Menge gab. „Es war jetzt ganz klar ein Familienunternehmen.“

Paul hatte diese EMI-Sessions unter falschem Namen gebucht, um zu vermeiden, dass die Presse von seinem neuen Projekt Wind bekam. Aber als der frühere Beatles-Toningenieur Chris Thomas zufällig beim Abmischen hereinschneite und lange genug wartete, bis er „Maybe I’m Amazed“ zu hören bekam, da war er erstaunt. „Er hatte alles selbst gespielt, selbst geschrieben, selbst produziert. Ich war total überwältigt – wow!“256

Vor allem wollte Paul, dass alles in kleinem Rahmen blieb. Er wollte nicht in Konkurrenz zu den Beatles treten, er wollte nicht etwa Abbey Road übertreffen.



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